Verpackungsdesign in Zeiten der Globalisierung
Interview mit Thekla Heineke und Stefan Mannes von der Packaging-Agentur kakoii Berlin – in Stylepark zum Thema „Internationales Verpackungsdesign“
Internationales Verpackungsdesign ist hochaktuell. Das Antlitz der globalisierten Welt wird maßgeblich von den großen Konsumgüter-Marken aus den USA und Japan geprägt. In nahezu jeder Ecke der Welt kann man Kaffee bei Starbucks genießen, bei McDonald’s einkehren und Coca-Cola erwerben. Der entscheidende Übermittler von Markenbotschaften sind hierbei die Verpackungen, da der überwiegende Teil der Kaufentscheidungen zweifelsfrei direkt am Supermarktregal getroffen wird. Der visuelle und taktile Eindruck des Produkts hat daher mehr Gewicht als jede andere Form der Werbung und stellt somit die essenziellste Manifestation der Marke dar.
Doch was passiert, wenn Produkte weltweit angeboten werden? Wird durch die Globalisierung das Design der Marken immer uniformer? „Nein“, argumentiert Thekla Heineke, Kreativdirektorin bei der Agentur Kakoii, die Unternehmen beim Markteintritt in neue Regionen unterstützt und Büros in Berlin und Tokio unterhält. Sie sagt: „Auch international agierende Marktführer müssen ihre Verpackungen auf die spezifischen Gegebenheiten lokaler Märkte abstimmen – das betrifft sowohl Premium-Produkte als auch das Niedrigpreissegment.“
Das Gestalten von Verpackungen für fremde Märkte ist für Designer und Kunden ein Lernprozess mit ungewissem Ausgang. Internationales Verpackungsdesign ist hier sehr wichtig. Selbst die strategische Vorarbeit der Marketingabteilung, wie Marktforschung und Zielgruppenanalysen, reicht nicht aus, um die Eigenheiten oder Empfindlichkeiten einer lokalen Identität vollständig zu vermitteln. Die meisten multinationalen Konzerne involvieren daher Designer aus den entsprechenden Zielregionen in den Entwicklungsprozess, wenn es um die lokale visuelle Sprache geht. Alternativ entsenden sie ihr eigenes Designteam zur Feldforschung in das jeweilige Land. Auf diese Weise entwickeln sie kulturelles Verständnis und Intuition – kurz gesagt: „Interkulturelle Sensibilität“. Denn derselbe visuelle Code wird in jeder Kultur unterschiedlich entschlüsselt. Wenn Farben, Formen und Namen bereits im benachbarten Land unterschiedlich interpretiert werden, funktioniert eine einheitliche Designsprache in weit entfernten Ländern überhaupt nicht mehr. Global Player verstehen die Kunst der subtilen Anpassung an den jeweiligen kulturellen Hintergrund besonders gut, indem sie Setting, Verpackung und andere Werbemaßnahmen kombinieren. Dabei müssen sie jedoch auch scheinbar unvermeidliche gestalterische Fehlschläge im Versuch-und-Irrtum in Kauf nehmen. Denn oft stellen die Designer erst durch Tests im kleinen Zielmarkt fest, ob die Konsumenten ihr Produkt „verstehen“. „Selbst kurz vor dem Marktstart“, so berichtet Thekla Heineke, „werden noch überraschende Missverständnisse aufgedeckt.“
Die Akzeptanz von Verpackungen wird bei den Käufern hauptsächlich von Emotionen gesteuert, und die Designarbeit der Designer nicht weniger: „Es werden ziemlich viele Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen“, erklärt Heineke. Dies beginnt bereits damit, wie man mit fremden Schriftzeichen umgeht: Oft werden diese so verwendet, wie man glaubt, dass es andere tun. Manchmal erscheint es für Europäer „japanischer“, wenn es „chinesisch“ aussieht. Umgekehrt wundern sich Europäer, wenn japanische Typografen mit lateinischen Schriftzeichen arbeiten.
Die Designpsychologie erklärt weitere Gründe für fehlgeleitetes internationales Verpackungsdesign – zum Beispiel, dass die Farbe Weiß in Mitteleuropa oft mit Reinheit assoziiert wird, während in manchen asiatischen Ländern Weiß als Farbe des Todes gilt. Ebenso werden bestimmte Füllmengen und Packungsgrößen mit Zahlen in Verbindung gebracht, die Unglück verheißen. In Japan werden beispielsweise niemals vier Einheiten zusammen verpackt, da die Zahl vier Unheil verspricht. Missverständnisse gibt es jedoch nicht nur zwischen weit voneinander entfernten Kontinenten; auch innerhalb Europas existieren landestypische Designsprachen. In Frankreich ist das Verpackungsdesign weitaus verspielter, femininer und weicher als in Deutschland. Das zeigt sich bereits am Beispiel des Mineralwassers: Was dort mit Bildern ätherischer Models in Rosétönen beworben wird, präsentiert sich in Deutschland mit kraftvoll donnernden Wasserfällen und der urwüchsigen Natur des Waldes.
Im Osten Europas begegnet man hingegen in der Farbwahl neuen Vorstellungen und Maßgaben: „Durch die ‚orangefarbene Revolution‘ in der Ukraine 2004 ist die Farbe Orange für das Design nun mit politischer Bedeutung aufgeladen. Genauso ist es in den ehemaligen Ostblockstaaten mit der Farbe Rot, die mit dem Kommunismus in Verbindung gebracht wird“, erklärt Thekla Heineke. Generell steigt in Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs und der Neupositionierung der nationalen Identität die Sensibilität für Farben, Codes und Zeichen. Der russische Markt beispielsweise ist geprägt von einer wachsenden, besser verdienenden Oberschicht, die sich an teuren ausländischen Marken orientiert. „Das führt zu Produkten, für die es in Deutschland keinen Markt gäbe, zum Beispiel einem Premium-Kaffee für russische Männer, der japanisch aussehen soll.“ Internationales Verpackungsdesign treibt manchmal seltsame Blüten.
Auch in Deutschland existieren spezifische Vorstellungen von gutem Verpackungsdesign. Diese werden in weit größerem Maße von historischen Einstellungen beeinflusst, als uns bewusst ist. „Der amerikanische Einfluss nach dem Zweiten Weltkrieg schwächt sich derzeit ab“, sagt Stefan Mannes, Geschäftsführer von kakoii, „es kommt sogar zu Abwehr- und Gegenbewegungen.“ In Deutschland ist die neu definierte Zielgruppe der gut verdienenden „Ökos“ derzeit eines der wichtigsten Themen für das Packaging, wird jedoch anders als in den Vereinigten Staaten kommuniziert. „Das Thema gesunde Ernährung ist für uns recht neu und besteht auch in einer starken Abgrenzungshaltung gegenüber Fast Food und amerikanischen, lauten, bunten Designkonzepten“, erklärt Mannes. „So kommt es zu den reduzierten, eleganten Entwürfen, die wir in diesem Marktsegment sehen.“ Als typisch deutsch bezeichnet Mannes auch das Verlangen nach Prüfsiegeln und Hervorhebungen von Bezeichnungen wie „Bio“. „In vielen anderen Ländern ist die Natürlichkeit der Lebensmittel viel selbstverständlicher und wird auf der Verpackung meist gar nicht herausgestellt.“
Weltweit orientiert man sich bei Neuentwicklungen im Bereich Verpackungsdesign nicht mehr zwangsläufig an den Vereinigten Staaten und Europa. Asiatische Einflüsse sind mittlerweile wichtiger für den globalen Stilmix. „Mit Sicherheit entsteht gerade aus der gestalterischen Zusammenarbeit, aus dem gegenseitigen Interpretieren der Kulturen etwas ganz Neues“, resümiert Thekla Heineke. Dass wir uns in Bezug auf Vorlieben und Abneigungen immer ähnlicher werden, kann die Designerin aus ihrer Sicht nicht feststellen: „Jede politische und soziale Verschiebung lässt neue Haltungen zu Farben und Formen wachsen, Design bleibt also immer spannend.“ Kakoii rät seinen Kunden am liebsten, mit mehr Mut in fremde Märkte einzusteigen: „Es gibt in Japan eine Menge Produkte, die sich in Deutschland sehr gut verkaufen ließen, ohne sie anzupassen.“
Das Interview führte Birgit. S. Bauer.
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