Wie können wir Migrationsskeptiker überzeugen?

Interview mit Kommunikationsexperte Stefan Mannes zu Arbeitsmigration und der geplanten Gesetzgebung des Bundestages.

Interview mit Stefan Mannes, in: Personalwirtschaft 12/2022 Aktuell liegt eine Anfrage einer Organisation auf meinem Schreibtisch, die eine Kampagne gegen antimuslimische Narrative starten möchte – mit kleinem und zeitlich begrenztem Budget. Ein gutes, aber unmögliches Unterfangen. Soziologen und Migrationsforscherinnen betonen, dass wir schon lange Einwanderungsland seien und nur das entsprechende Narrativ die Gesellschaft nicht erreicht […]

Interview mit Stefan Mannes, in: Personalwirtschaft 12/2022

Interview mit Kommunikationsexperte Stefan Mannes zu Arbeitsmigration und der geplanten Gesetzgebung des Bundestages.

Aktuell liegt eine Anfrage einer Organisation auf meinem Schreibtisch, die eine Kampagne gegen antimuslimische Narrative starten möchte – mit kleinem und zeitlich begrenztem Budget. Ein gutes, aber unmögliches Unterfangen.

Soziologen und Migrationsforscherinnen betonen, dass wir schon lange Einwanderungsland seien und nur das entsprechende Narrativ die Gesellschaft nicht erreicht habe. Doch die Haltung zu Migration ist in der Breite der Bevölkerung durch eine emotionale Gemengelage geprägt, in der diffuse Ängste vor Kontrollverlust und „Fremdem“ dominieren. So scheint auch die von der Politik getroffene Unterscheidung zwischen volkswirtschaftlich dringend benötigten, gezielt akquirierten Fachkräften aus dem Ausland und anderen Zugewanderten schwer zu vermitteln. Im konkreten Einzelfall sind die Deutschen zum Beispiel für die Pflegekraft aus Polen sehr dankbar – eine „Einwanderungsgesellschaft“ wollen sie dennoch nicht sein. Widersprüche, die sich über „Werbung“ kaum auflösen lassen.

Deswegen ist es richtig, dass Politik und Wirtschaft Fakten schaffen, ohne auf die Zustimmung der Bevölkerung zu warten. Trotzdem sollte es eine Begleitkampagne zum Thema Migration geben. Denn eine demokratische Regierung muss ihre Handlungen transparent machen. Zudem ist es wichtig und richtig, Zugewanderte als tragende Elemente unserer Gesellschaft und Wirtschaft darzustellen – und so das Einwanderungs-Narrativ zu verbreiten.

Das ist allerdings eine Aufgabe für Dekaden. Es brauchte 25 Jahre „Gib Aids keine Chance“, um das Wissen und Verhalten der Bevölkerung grundlegend zu wandeln. Eine Migrationskampagne ver- langt noch merklich längeren Atem. Deshalb sollte sie sofort starten.

Der Hintergrund

Die Politik reagiert auf eines der drängendsten Probleme Deutschlands: Neue gesetzliche Regelungen sollen die Einwanderung von Fachkräften erleichtern; Berufserfahrene etwa könnten dann unter bestimmten Bedingungen ohne gültigen Arbeitsvertrag einreisen. Insgesamt benötigen wir laut Bundesagentur für Arbeit künftig 400 000 Zugewanderte pro Jahr, um die demografische Entwicklung auszugleichen und das Wohlstandsniveau zu halten; ein hoher Anteil davon käme aus außereuropäischen Ländern (siehe Seite 22 bis 33). Das wird schwer, zumal es diese Menschen nicht nur zu gewinnen, sondern auch zu integrieren gilt, um ihre Rückwanderung zu verhindern. Noch dazu scheint der Rückhalt der Bevölkerung für das Projekt zu fehlen: Laut einer Ipsos-Studie sind circa 70 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 75 Jahren gegen liberalere Einwanderungsregeln. Was können Politik und/oder Wirtschaft tun, um diese Menschen umzustimmen? (nir)

Stefan Mannes ist Geschäftsführer der 2001 gegründeten Kommunikationsagentur kakoii in Berlin und Experte für die Vermittlung gesellschaftlich relevanter Themen. Der studierte Politologe und Historiker hat etwa die Kampagne „Gib Aids keine Chance“ einen Spendenaufruf für das Holocaust-Denkmal und mehrere Volksbegehren strategisch begleitet.

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Bierdeckelstreit – oder was darf Alkoholwerbung

ARD BRISANT, 19.3.2019 Kommunikationsexperte Stefan Mannes äußert sich in ARD Brisant zum Traunsteiner Bierdeckelstreit. Hohe Wellen schlug diese Tage ein Bierdeckel einer bayrischen Brauerei. Er zeigt Brauereichef Maximilian Sailer, der seiner Frau Brigitte ein Bussi gibt – während sie ein volles Weißbierglas anhimmelt. „Hilft in Sekunden – wirkt für Stunden“, ist dazu zu lesen. Das […]

ARD BRISANT, 19.3.2019

Interview mit Kommunikationsexperte Stefan MannesKommunikationsexperte Stefan Mannes äußert sich in ARD Brisant zum Traunsteiner Bierdeckelstreit. Hohe Wellen schlug diese Tage ein Bierdeckel einer bayrischen Brauerei. Er zeigt Brauereichef Maximilian Sailer, der seiner Frau Brigitte ein Bussi gibt – während sie ein volles Weißbierglas anhimmelt. „Hilft in Sekunden – wirkt für Stunden“, ist dazu zu lesen. Das gab jetzt ein Schreiben vom Werberat. „Wir haben Beschwerden dazu erhalten und das Unternehmen zur Stellungnahme aufgefordert“, heißt es dort. Die
Selbstkontrolleinrichtung der Werbewirtschaft sieht in dem Motiv das Problem, die Werbung “suggeriere, der Konsum von Alkohol könne „zu einem leichteren, unbeschwerten Lebensgefühl, auch im zwischenmenschlichen Bereich“ beitragen. „Dies könne als Aufforderung zu missbräuchlichem Alkoholkonsum missverstanden werden.“

Grundsätzlich liegt der der Werberat nicht falsch mit seiner Aussage. Die Grenzen zulässiger Werbung sind in diesem Fall überschritten. Die spannendere Frage ist allerdings, weshalb der Werberat „nur“ in einem solch unbedeutenden Fall aktiv wird. Dazu muss man wissen, dass der Werberat kein unabhängiges Gremium ist, sondern eine Organisation der Werbeindustrie und grundsätzlich wenig Interesse daran hat Werbung zu reglementieren. Deshalb tut er es auch nur sehr selten und dann auch meist nur aufgrund externer Beschwerden.

Alkoholwerbung - wo liegen die rechtlichen und moralischen Grenzen?Grundsätzlich gibt es nur sehr wenige Kriterien, die Alkohol-Werbetreibende beachten müssen. Es darf weder sexuelle noch soziale Leistungsfähigkeit versprochen werden, wie es dort heisst.

Moralisch und rechtlich untadelig ist aber das Versprechen von Freiheit (Becks), Freundschaft (Hasseröder), Entspannung (Jever) und vielem anderen mehr. Erstaunlich, was Alkohol angeblich alles leisten kann. Die großen Hersteller investieren Millionen von Euro in psychologisch ausgefeilte Werbeetats, damit ihre Kunden nicht nach Geschmack entscheiden, sondern nach Image. Dabei sind sich Wissenschaftler einige, dass die einzig beweisbare Wirkung von Alkohol ist: er macht betrunken.

Hier geht es zum Brisant-Beitrag

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Kinder vor Werbung schützen? Unsere Meinung in der aktuellen brandeins

„Miley würde sogar gern viel, viel öfter mit der Kamera reden.“ Thema: Kinder-Influencer (…) Stefan Mannes betritt den Raum mit einem Aktenordner. Er ist Geschäftsführer der Werbeagentur Kakoii in Berlin. Die hat für die Medienkompetenz-Schwerpunkte des Deutschen Kinderhilfswerks die Facebook-Kampagne übernommen. Einer ihrer Claims lautet: „Kinder haben ein Recht auf Schutz – auch vor Werbung.“ Der Werber […]

„Miley würde sogar gern viel, viel öfter mit der Kamera reden.“
Thema: Kinder-Influencer

kakoii brandeins gegen Werbung(…) Stefan Mannes betritt den Raum mit einem Aktenordner. Er ist Geschäftsführer der Werbeagentur Kakoii in Berlin. Die hat für die Medienkompetenz-Schwerpunkte des Deutschen Kinderhilfswerks die Facebook-Kampagne übernommen. Einer ihrer Claims lautet: „Kinder haben ein Recht auf Schutz – auch vor Werbung.“ Der Werber wirbt also für weniger Werbung.

Das Thema Marketing für Kinder sei unerschöpflich, sagt er und schlägt den Ordner auf. Darin sind Broschüren von Agenturen, die Unternehmen anbieten, ihre Werbebotschaften in Kindergärten und Grundschulen unterzubringen – „direkt bei der Zielgruppe“. Oder Ausschreibungen von Spielwarenherstellern, die einen Preis ausloben für Kindergärten, die die schönsten Heldenfiguren mit Marken-Knete erstellen. Er zeigt eine Ernährungspyramide, die als Unterrichtsmaterial angeboten wird, in der aber statt eines Glases Saft eine gesüßte Markenlimonade abgebildet ist.

Die Frage ist: Ist es richtig, nur weil es üblich ist, dass schon die Jüngsten mit Konsumhinweisen konfrontiert werden?

Die Unternehmen argumentieren, dass sie die Kinder unterstützen wollen: Kneten sei gut für die Feinmotorik. Aber aus karitativen Motiven verschenkt keine Firma Schulmaterialien. In einer Marketingbroschüre steht noch ein anderer Grund: „Im Grundschulalter werden Markenpräferenzen für viele Jahre und Jahrzehnte gelegt.“ Deswegen sind Kinder als Zielgruppe so beliebt.

Auf Fragen antworten mehrere Unternehmen nur schriftlich. (…) Der Spielwarenhersteller Hasbro, der den Play-Doh-Kindergartenpreis ausschreibt, will sich zu einzelnen Marketingkampagnen nicht äußern. Er verweist aber darauf, dass man sich „in der unabhängigen Bildungsinitiative Media Smart“ engagiere, die die Werbe- und Medienkompetenz von Kindern fördere.

Ist Media Smart wirklich unabhängig? Zu den Mitgliedern gehören der Privatsender SuperRTL, der Süßwarenhersteller Ferrero und die Spielzeugproduzenten Hasbro, Lego und Mattel. In einem Heft, das Media Smart herausgibt, steht die Frage: „Sollte Werbung bereits in der Vorschule zum Thema gemacht werden? Wäre es nicht besser, Kinder in diesem Alter vor Werbung zu bewahren?“ Ein Experte antwortet: Eine „Abwertung von Werbung hilft Kindern nicht dabei zu lernen, kritisch mit Werbung umzugehen“. So klingt Werbekompetenzförderung, an der sich Spielwarenfirmen beteiligen.

Stefan Mannes dagegen findet Werbung im Vorschulalter problematisch, weil gerade jüngere Kinder sie noch nicht von anderen Informationen unterscheiden können. Er sagt: „In Kitas gehört nichts, was irgendwie mit einem kommerziellen Interesse verbunden ist. Ich persönlich würde sogar sagen, auch nicht in Grundschulen.“

Wie er das durchsetzen will, hat er sich schon überlegt. Erst einmal gehe es um die Debatte, sagt Mannes. Um Bewusstsein für das Thema, um Aufklärung. Das Rauchverbot habe auch Jahre im Raum gestanden, und dann, fast überraschend, sei die Zeit dafür gekommen.

Es gibt auch schon erste Entwicklungen in diese Richtung: In Chile sind Comicfiguren auf Zuckermüsli-Packungen verboten, in São Paolo und Grenoble gibt es generell keine Plakataußenwerbung mehr. In Berlin fordert die Initiative „Berlin werbefrei“ einen weitgehend reklamefreien öffentlichen Raum sowie ein Werbeverbot in Kitas, Schulen und Hochschulen. Sie hat im Jahr 2018 schon mehr als 32 000 gültige Unterschriften gesammelt.

„Ich finde es gut, dass solche Ideen im Diskursraum herumschweben“, sagt Stefan Mannes. Deshalb werde morgen nicht flächendeckend Werbung verboten. „Aber so verrückt ist das alles nicht.“

Robert Henle, der Vater der Youtuberin Miley, muss lachen, als er von der Idee hört. Keine Werbung mehr für Kinder? „Aber da braucht man ja den Fernseher oder den Computer gar nicht mehr anzumachen“, sagt er.

Es gibt Menschen, die erwidern würden: Genau das ist das Problem.

Hier geht es zum ganzen Artikel in der brandeins – Aufgabe Februar 2019


 

kakoii hatte bereits vor mehreren Monaten zum Thema Kinder & Werbung gearbeitet. Im Rahmen unserer Arbeit für das Deutsche Kinderhilfswerk hatten wir uns nicht nur intensiv mit der Wirkung von Werbung auf Kinder beschäftigt (auch über Youtuber hinaus), sondern auch bereits einen viel beachteten Kommentar zum Thema Kindergartenmarketing verfasst. kakoii betrachtet sich selbst als eine konsumkritische Werbeagentur. D.h. wir arbeiten für Marken, die nachhaltige Produkte mit nachvollziehbarem Nutzwert für Menschen anbieten. Dies schließt Kunden aus dem NPO (Caritas, Aidshilfe, DRK & Co.), aber auch aus dem kommerziellen Sektor mit ein. Ein Beispiel dafür ist unsere Arbeit für Alpina Farben, über die auch die brandeins berichtete. kakoii ist einer der Unterstützer des Volksbegehrens „Berlin Werbefrei“.

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Freiwillige Rückkehr – Kritik an Kampagne

TAGESSPIEGEL, 8.12.2018 Mit einer Plakatkampagne für Rückkehrerprogramme hat das Bundesinnenministerium für Irritationen gesorgt. Seit Tagen hagelt es Kritik für die neue Plakatkampagne des Bundesinnenministeriums „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“: Sie sei „in jeder Form würdelos“, sie erreiche ein „neues Niveau an Fremdenfeindlichkeit“ und vermittle die Botschaft „Flüchtlinge und Ausländer, Ihr seid hier unerwünscht!“, heißt es […]

TAGESSPIEGEL, 8.12.2018

Mit einer Plakatkampagne für Rückkehrerprogramme hat das Bundesinnenministerium für Irritationen gesorgt.

TagesspiegelSeit Tagen hagelt es Kritik für die neue Plakatkampagne des Bundesinnenministeriums „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“: Sie sei „in jeder Form würdelos“, sie erreiche ein „neues Niveau an Fremdenfeindlichkeit“ und vermittle die Botschaft „Flüchtlinge und Ausländer, Ihr seid hier unerwünscht!“, heißt es in den Sozialen Medien. Diese Kritik scheint nun zu fruchten. Am kommenden Montag sind die Initiatoren der zwei Gegenkampagnen, Yann Leretaille und Hannah Hübner, sowie Mitglieder von Migrantenverbänden zu einem Gespräch im Bundesinnenministerium eingeladen.(…)

Ziel der BMI-Kampagne war es eigentlich, Personen ohne Bleibeperspektive auf die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr aufmerksam zu machen. Doch die Plakate mit der Formulierung „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“ sorgten für Irritationen. Auch anerkannte Flüchtlinge oder Menschen mit Migrationshintergrund fühlten sich angesprochen.(…)

 

Kampagne funktioniert nicht über Plakatwerbung

Rückkehr KampagneBei den Programmen zur freiwilligen Rückkehr geht es, so das Bundesinnenministerium, in aller Regel um Ausreisepflichtige oder Personen mit geringer Bleibeperspektive, die sich noch im Asylverfahren befinden. Anerkannte Flüchtlinge werden als Anspruchsberechtigte ebenfalls nicht ausgeschlossen, wenn sie eigenverantwortlich entscheiden, freiwillig ins Herkunftsland oder in ein aufnahmebereites Drittland zu ziehen. Durch die bundesweite Plakatierung soll die Zielgruppe „vor Ort“ erreicht werden, ließ das Bundesinnenministerium verlauten. Das sieht Stefan Mannes von der Werbeagentur kakoii kritisch:

„Kampagnen, die sich an so eine fein definierte Zielgruppe wie Ausreisepflichtige richten, funktionieren nicht über Plakatwerbung.“ Die Rückreise sei ein sehr sensibles Thema, sagt er. „Wenn man jemanden dazu bringen möchte, einen solchen Schritt zu gehen, muss man intensiver mit der Person kommunizieren – sei es über spezielle Online-Netzwerke oder geschulte Beratungsstellen.“(…)

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