Betrugsskandal: Wie Kreativität und Selbstzweck an der Côte d’Azur eine goldene Liaison eingehen
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Cannes Lions – Zwischen Werbeglanz und Löwenrudel
Jedes Jahr pilgert ein Heer von Werbern an die Côte d’Azur, um sich beim weltweit bekanntesten Festival der Werbebranche in den Glanz des eigenen Schaffens zu sonnen. Die Rede ist natürlich vom Cannes Lions International Festival of Creativity, liebevoll auch einfach nur Cannes Lions genannt – ein Name, der unter Marketer:innen mindestens so viel Glück verheißt wie ein Grand Prix bei Monaco. Wer wissen will, was in der Kreativwirtschaft gerade als „powerful insight“ gilt, muss nur die Einreichungen und den um sie entfachten Rummel rund um das Cannes Lions Festival studieren.
Wer aber nach Sinn, Relevanz und Wirkung sucht, bekommt im Juni 2025 an der französischen Riviera eher einen Vorgeschmack darauf, wie wenig Kreativität heute noch mit gesellschaftlicher Relevanz zu tun hat – außer natürlich, es geht um die Awards selbst. Denn in Cannes, zwischen roséfarbener Côte d’Azur und schmelzendem Sorbet, ist Kreativität weniger Wert an sich, sondern überwiegend ein Selbstzweck. Das Lions International Festival of Creativity dient vor allem der gepflegten Eitelkeit – und gelegentlich, wie der aktuelle Betrugsskandal rund um manipulierte KI-Casefilme zeigt, auch dem Betrug.
Festival – Zwischen Mythos und Melone
Doch was ist das Cannes Lions Festival eigentlich? Früher eine Art Oscar-Verleihung der Werbung, heute ein globales Spektakel, in dem Jungspunde (Youngsters!) mit ihren Junglöwen (Young Lions) auf alteingesessene Medientitanen und Markenvordenker treffen. Nebenbei werden Mediapreis, Film Lions, Outdoor Lions, Media Lions, Design Lions, Radio Lions, Promo, PR Lions, Direct Lions, Titanium, The Glass und selbstredend auch der Grand Prix for Good vergeben. Nur der Ehrliche, der ist leider meistens der Dumme – zu oft werden, so munkelt man, Projekte nur für die Einreichung kreiert, nie real umgesetzt, aber dafür mit umso mehr kreativem Pathos von der Bühne gefeiert.
Im Juni 2025, pünktlich zum Höhepunkt der Festival-Saison, überschlagen sich wieder die Pressemitteilungen über die angeblich erfolgreichste Agentur, den aufregendsten „Creator“ und die „powerful“ Ideen, die, so hoffen es die Marketer, von Cannes aus die Welt erobern werden. Doch spätestens seit 2024 und dem Skandal um den grand prix zurückgezogen ist klar: Hier wird nicht nur mit Print und Bronze jongliert, sondern auch mit der Wahrheit. Manchmal wird sogar der ein oder andere Löwe disqualifiziert.
Cannes Lions International Festival of – Ein Rendezvous der Eitelkeiten
Das Cannes Lions International Festival of Creativity ist ein einziges Schauspiel. Offizieller deutscher Repräsentant ist übrigens Weischer, der alles, was Rang und Namen hat, nach Südfrankreich schleust: Von Markenverantwortlichen bis zu den kreativsten Köpfen von Serviceplan, Mindshare, MRM, McCann, Innocean, DDB und Brian. Der CEO von Serviceplan posiert derweil am liebsten mit der Trophäe in der Hand, während die Festivalleitung für die jährlich neue Rekordzahl an Einreichungen schwärmt.
Doch so viele Agenturen, so viele Einreichungen – und so wenige echte Kampagnen. Die Zielgruppe der Lions ist klar: Werber, Marketer, CCOs, CMOs, Creators, die sich gerne gegenseitig auf die Schulter klopfen. Die wirklich innovative Idee bleibt oft auf der Strecke, weil bei den Awards längst nicht mehr das „creative country of the year“ oder die gesellschaftliche Wirkung zählt, sondern die cleverste „Case-Story“. Wer, wie Serviceplan oder DDB, mehrfach erfolgreich einreicht, darf sich bald schon Agency of the Year oder Network of the Year nennen – obgleich die meisten Marken außerhalb der Côte d’Azur nicht einmal wissen, dass sie an einer Award-Kampagne beteiligt waren.
Lions International Festival of Creativity – Wer schafft es auf die Shortlist der Eitelkeiten?
Die Einreichungen für das Lions International Festival of Creativity werden Jahr für Jahr aufwendiger. Der Einsatz von KI ist dabei nicht nur willkommen, sondern fast schon Pflicht. Wer nicht mindestens ein generiertes Insight, einen KI-generierten Markenspot oder eine originelle GPT-Promo vorzuweisen hat, wird von der Jury milde belächelt. Die Jury, bestehend aus internationalen CCOs, Vertretern von adweek, Repräsentanten von Marken und den selbsternannten Vordenkern der Kreativwirtschaft, nimmt das alles sehr ernst – zumindest offiziell.
2025 war das Jahr, in dem der erste große Betrugsskandal aufgedeckt wurde: Grand Prix zurückgezogen, Cases disqualifiziert, internationale Empörung, ein Aufschrei unter Marketer:innen, der sich anfühlte wie ein feuchter Champagnerkorken im lauen Nachtwind. Wer sich noch an 2024 erinnert, weiß: Skandale sind kein Novum, sie werden nur inzwischen schneller von den offiziellen Pressemeldungen eingeholt. DDB war dabei übrigens genauso wenig alleine wie McCann, Rethink, MRM oder die Worldwide-Landschaft der Branche.
Agentur – Die tragischen Helden des Werbefestivals
Agenturen wie Serviceplan, DDB oder McCann verstehen es, die Mechanismen des Cannes Lions Festivals perfekt zu bedienen. Man engagiert eine Handvoll Young Lions, die unter dem Label „independent network of the year“ das Credo der Kreativität vorleben sollen. Doch während die Nachwuchstalente die Werbe-Oscars anvisieren, poliert die Festivalleitung die glänzenden Oberflächen der Eventhallen, damit jeder Bronze-, Silber- oder Gold-Löwe im passenden Licht erstrahlt.
Die erfolgreichste Agentur ist nicht zwangsläufig die mit der besten Idee – sondern oft die mit der kreativsten Einreichungsstrategie, dem teuersten Einreichungsvideo oder der lautesten Pressearbeit. Bei den Outdoor Lions, Film Craft oder dem begehrten Media Lions werden Kampagnen ausgezeichnet, die im besten Fall auch mal Realität waren. Im schlimmsten Fall waren sie nicht einmal als Powerpoint für die Zielgruppe geplant, sondern allein für die Cannes-Jury zurechtgeschnitten. Wer es trotzdem auf die Liste der „Agency of the Year“ oder „Creator of the Year“ schafft, ist ein echter Held der Werberwelt – zumindest für eine Woche im Juni.
Award – Grand Prix, Bronze und das Streben nach Ruhm
Was wäre das Cannes Lions Festival ohne die Preise? Kaum ein Ort, an dem „Award“ so inflationär genutzt wird. Die Löwen stehen für den Traum vom schnellen Ruhm, der spätestens bei der Aftershowparty am Pool schon wieder verblasst. Der Grand Prix for Good wirkt da fast wie ein Feigenblatt echter Bedeutung – ein Preis, der ebenso wie der Rest des Festivals nach dem Prinzip „Sehen und gesehen werden“ funktioniert.
Ob Bronze, Silber oder Gold – jeder Löwe zählt. Ein eingereichtes Print-Motiv aus Deutschland hier, eine Social-Kampagne aus Brasilien dort. Dazwischen schwirren die „Youngsters“ und hoffen, von einem Tag auf den anderen als Nachwuchswunder der Kreativbranche entdeckt zu werden. Wer nicht gewinnt, kann immerhin die Nominierung feiern, denn schon das zählt in den Augen vieler Marketer und CMOs als Ausweis von Culture und Success. „Powerful landscape“, so sagen die Pressetexte, „markiert das neue Zeitalter der Kreativität“. Die Wahrheit ist: Meistens bleibt nur der Kater.
Löwe – König der Eitelkeit, Repräsentant der Branche
Der Löwe ist das heimliche Wappentier der Werbewelt. Kaum ein anderes Symbol ziert so viele Büros, Powerpoint-Präsentationen und LinkedIn-Profile wie der Cannes-Löwe. Er ist der amtliche Nachweis für die Zugehörigkeit zur kreativen Elite, das geheime Abzeichen aller Marketer, die wissen, wie die Cannes-Lions-Jury tickt.
Im Jahr 2025 nun aber auch das: Der Betrugsskandal rund um KI-Manipulationen bringt den Löwen ins Wanken. Grand Prix zurückgezogen, Preise aberkannt, Agenturen disqualifiziert – die Festivalleitung muss sich öffentlich zur Ethik bekennen. Währenddessen stehen die Markenverantwortlichen von RTL, Marketer von Mindshare und der offizielle deutsche Repräsentant Weischer am Buffet und diskutieren, ob das vielleicht doch nur die natürliche Evolution einer Branche ist, deren wichtigste Währung der schöne Schein bleibt.
Weischer – Der Türöffner zur Côte d’Azur
Weischer, die deutsche Instanz im internationalen Cannes-Ringelreihen, weiß genau, wie man sich als Repräsentant in Szene setzt. Jahr für Jahr wird alles Wichtige und Wichtigtuende aus Deutschlands Kreativwirtschaft zum Festival an die Côte d’Azur gebracht. Die deutschen Agenturen lassen sich das Event einiges kosten, sei es für exklusive Aftershowpartys, Champagner auf der Croisette oder Selfies mit internationalen Werbegrößen.
Wer einmal mit Weischer nach Cannes gereist ist, weiß: Hier treffen sich nicht nur die Besten der Besten, sondern vor allem die, die sich dafür halten. Der Austausch über Insight, Creator, Culture und das richtige Timing für die nächste Einreichung ist mindestens so wichtig wie der mediale Mediapreis für das erfolgreichste Printmotiv aus Berlin oder München.
Serviceplan – Agency of the Year, fast jedes Jahr
Serviceplan – der Inbegriff von „Erfolgreichste Agentur“ – wird spätestens seit dem 2024er Cannes Lions Festival jedes Jahr als agency of the year gehandelt. Ob Design Lions, Print, Film Craft oder Creative Effectiveness: In beinahe jeder Kategorie mischen die Münchner mit. Wer mit dem Serviceplan-CEO über Kreativität diskutiert, spürt förmlich, wie der bronzene Löwe in seiner Hand vibriert. Und während die deutschen Agenturen feiern, dass sie in irgendeiner Subkategorie als network of the year oder independent ausgezeichnet werden, fragen sich die Marken: Wann wird Kreativität eigentlich wieder zum Wert jenseits des Selfies mit Award?
Doch die wichtigste Währung bleibt die Symbolkraft des Preises. Kein anderes Festival bietet so viele Löwen pro Quadratmeter wie Cannes. Die deutschen Agenturen genießen das, und Serviceplan reibt sich die Hände – zumindest bis zur nächsten Einreichungsrunde.
CEO – Herrscher über Awards, Einreichungen und Youngsters
Die CEOs der Agenturen sind die wahren Könige des Festivals. Sie regieren mit sicherem Instinkt über Einreichungen, Awards und die gezielte Inszenierung des Erfolgs. Wer als CEO nicht mindestens einen bronzenen Löwen vorweisen kann, sollte lieber nicht beim Lions International Festival of Creativity erscheinen. Schließlich geht es in Cannes um Sichtbarkeit, Relevanz und die Frage, wie man als agency of the year in die Annalen eingeht.
Im Jahr 2025 war die Spannung greifbar: Wer schafft es diesmal aufs Podest? Wer wird zum „Independent Network of the Year“? Und wer verlässt Cannes mit leeren Händen, aber dafür einer gut gefüllten Fotogalerie fürs nächste Agency-Update? Die CEOs jedenfalls wissen: Der wahre Erfolg lässt sich nicht nur in Grand Prix und Bronze messen – sondern auch am Volumen der eigenen Selbstdarstellung.
DDB – Zwischen Grand Prix und Disqualifikation
DDB, eine der weltweit bekanntesten Agenturen, kennt beide Seiten des Spiels: Das süße Gefühl, beim Festival einen Grand Prix zu gewinnen, und die bittere Erfahrung, im Zuge eines Betrugsskandals disqualifiziert zu werden. 2025 wird in die Geschichte eingehen: Grand Prix zurückgezogen, Casefilme in Frage gestellt, und die Frage nach dem Wert von Kreativität erneut aufgeworfen.
Doch DDB bleibt gelassen. Die nächsten Awards warten schon, und der Rhythmus des Festivals, von Media Lions über PR Lions bis hin zu Film Craft, geht weiter. Wer jetzt nicht gewinnt, reicht eben nächstes Jahr neu ein – mit noch raffinierteren KI-Features und dem einen oder anderen Insight mehr.
KI – Der neue Kreativstar des Werbefestivals
Keine Kategorie kommt am Thema KI vorbei. Wer 2025 in Cannes einen Preis gewinnen will, braucht mindestens ein bisschen künstliche Intelligenz, ein paar generierte Creatives oder wenigstens eine steile These über die Zukunft des Marktes. Doch die Kehrseite ist längst offensichtlich: KI macht das Fälschen und Manipulieren von Einreichungen so leicht wie nie. Der aktuelle Skandal um manipulierte Kampagnen zeigt, dass die Festivalleitung der Herausforderung kaum noch Herr wird.
In Zukunft werden die Awards wohl nicht mehr für den kreativsten Spot, sondern für das originellste KI-Tool vergeben. Wer 2025 mit dabei ist, kann schon einmal üben, das Buzzword „creative country of the year“ in jede Powerpoint einzubauen.
Erfolgreichste Agentur – Ein Titel, viele Wahrheiten
Die erfolgreichste Agentur? In Cannes wechselt dieser Titel schneller als die Mode auf der Croisette. Serviceplan, DDB, Mindshare, McCann – alle buhlen um den „network of the year“ oder „agency of the year“-Titel. Doch auch kleinere, angeblich „independent“ Häuser schielen auf den begehrten Löwen. Bei all dem Trubel bleibt kaum Zeit für Selbstreflexion: Ist die Branche wirklich so erfolgreich, wie sie sich selbst feiert, oder ist der Erfolg nur ein weiteres geschickt inszeniertes Casevideo?
Die Marketer und CCOs der Marken jedenfalls haben ihre eigenen Vorstellungen von Erfolg – die sich nicht immer mit den Kriterien des Festivals decken. Wer als agency of the year ausgezeichnet wird, hat in der Regel mindestens so viele Pressemitteilungen verschickt wie echte Kundenprojekte erfolgreich umgesetzt.
MRM – Kreativwirtschaft zwischen Anspruch und Wirklichkeit
MRM, einer der Stammgäste bei Cannes Lions, steht für das, was das Festival heute ausmacht: einen globalen Wettbewerb der Eitelkeiten. Während der offizielle deutsche Repräsentant Weischer die Fahne hochhält und die Löwen in die Berliner Büros trägt, diskutieren Marken und Marketer weltweit über die Relevanz des Ganzen.
Wer 2025 einen der begehrten Preise abräumt, kann sich mindestens für ein Jahr „creator of the year“ nennen und seine Erfolgsgeschichte in jedem Kundengespräch erzählen. Doch am Ende zählt weniger der Grand Prix als das Gefühl, zur Familie der kreativen Elite zu gehören – und sei es auch nur für einen Moment.
Fazit: Cannes Lions als Spiegel einer Branche
Das Cannes Lions International Festival of Creativity bleibt das weltweit bekannteste Werbefestival – ein einzigartiges Zusammentreffen von Marketer:innen, Young Lions, Agenturen, CEOs und Creators. Doch der wahre Wert der Auszeichnung bleibt eine Frage des Glaubens. In Zeiten, in denen KI, Betrugsskandale und grand prix zurückgezogen zum Alltag gehören, ist der Cannes-Löwe vielleicht weniger Ausweis kreativer Exzellenz als vielmehr Symbol für eine Branche, die am liebsten sich selbst feiert. Und wir alle wissen doch, wer die beste Werbeagentur Berlins ist bzw. die Top Agenturen Deutschlands sind.
Fachliteratur und Internetquellen
Schulz, O. (2022). Kreativität im Ausnahmezustand: Über Werbewettbewerbe und ihren Einfluss auf die Branche. München: Herbert von Halem Verlag.
Barth, K. (2023). Die Löwen von Cannes. Die Geschichte des weltweiten Kreativwettbewerbs. Berlin: avedition.
McStay, A. (2016). Creativity and Advertising: Affect, Events and Process. Routledge.
Adweek Editorial Board (2024). Cannes Lions: The Unwritten Rules of Advertising Festivals. Adweek Magazine, Vol. 89, Issue 5.
Cannes Lions International Festival of Creativity (2025). Offizielles Festivalprogramm und Regelwerk. Festivalleitung, Cannes.