Ein paar bunte Scheiben Käse reichen heute, um einen Kulturkampf auszulösen.

Shitstorm gegen Milram: „So wie die Verpackung aussieht, ist sie definitiv ein politisches Statement“ Der Käsehersteller Milram bekam für eine Vielfaltskampagne einen Shitstorm. Kommunikationsberater Stefan Mannes sagt: Die Idee war gut, die Umsetzung miserabel. Interview vom 20.8.2025 Mit einer limitierten Version seiner Verpackungen wollte der Käsehersteller eine jüngere Zielgruppe ansprechen. Abgebildet sind Menschen unterschiedlicher Hautfarben. Dafür […]
Shitstorm gegen Milram: „So wie die Verpackung aussieht, ist sie definitiv ein politisches Statement“
Der Käsehersteller Milram bekam für eine Vielfaltskampagne einen Shitstorm. Kommunikationsberater Stefan Mannes sagt: Die Idee war gut, die Umsetzung miserabel.
Interview vom 20.8.2025
Mit einer limitierten Version seiner Verpackungen wollte der Käsehersteller eine jüngere Zielgruppe ansprechen. Abgebildet sind Menschen unterschiedlicher Hautfarben. Dafür gab es einen Shitstorm im Netz sowie Boykottaufrufe – vor allem von rechts. Das Unternehmen versucht sich nun in der Verteidigung: Man stehe zur Kampagne, es sei ihm allerdings nie um Politik gegangen. Wie klug ist das?
WirtschaftsWoche: Was halten Sie von der Kampagne des Käseherstellers Milram?
Stefan Mannes: Die Idee finde ich erstmal nicht schlecht. Wenn man sich als Unternehmen politisch äußern will, dann ist Diversität in der Regel ein recht unproblematisches Feld.
Könnte man meinen. Im Netz gab es allerdings einen Shitstorm – und sogar Boykottaufrufe. Hat Sie das verwundert?
Mich hat eher die Reaktion des Unternehmens verwundert. Der Pressesprecher sagt, die Kampagne sei kein politisches Statement. Aber in Zeiten von Migrationsdebatten und großer Zustimmung für die AfD ist sie das sehr wohl. Der Sprecher ist also entweder naiv – oder er versucht, sich herauszureden.
Inwiefern?
Die Argumentation von Milram lautet, dass einerseits Menschen aus 50 Nationen in dem Unternehmen arbeiten, andererseits, dass das Unternehmen eine junge Zielgruppe besser ansprechen will. Jetzt ist es aber so: So wie die Verpackung aussieht, ist sie definitiv ein politisches Statement. Das sind nicht einfach nur gut gelaunte junge Menschen. Die Idee war: Wir greifen einen Zeitgeist auf, aber bewusst nicht in politischer Form. Das wäre selbst vor zehn Jahren falsch gewesen. Heute ist es sehr, sehr falsch. Das würde bedeuten, dass man die aktuellen politischen Diskussionen gar nicht mitbekommen hat.
Also die Debatte um Vielfalt und einen möglichen Backlash, um Zuwanderung und Rassismus. Was ist denn da schiefgelaufen?
Vermutlich folgendes: Die Designagentur oder die Marketingabteilung hatte eine gute Idee und irgendjemand hat gesagt: „Die junge Zielgruppe wird das lieben. Und es wird bestimmt Beschwerden geben. Das hilft dann, das macht mehr Öffentlichkeit.“ Ich glaube jetzt nicht, dass Milram die Kampagne initiiert hat, um einen Skandal zu erzeugen. Das würde anders aussehen. Ich glaube allerdings, dass sie die Reaktionen unterschätzt haben. Und sie haben sich definitiv schlecht herausgeredet.
Wie hätte Milram reagieren sollen?
Zu sagen, sie hätten es nicht politisch gemeint, ist die schlechteste aller Reaktionen. Sie machen ein politisches Statement – und entwerten es direkt wieder. Am Ende sind Menschen, die sich von der Verpackung angesprochen fühlen, enttäuscht. Ebenso wie diejenigen, die Kritik an der Verpackung geäußert haben. Bei so einer Kampagne muss man sich auf den Gegenwind einstellen. Und ihn aushalten.
Am Ende sollen die Kunden ja im Idealfall auch das Produkt kaufen. Ist es überhaupt sinnvoll, dass ich mich als Käseproduzent politisch positioniere – im Zweifel sogar zulasten meiner wirtschaftlichen Situation?
Zuerst einmal muss man sagen: Die meisten Unternehmen äußern sich politisch überhaupt nicht. Die meisten Unternehmen machen gute Produkte, verkaufen die, und, wenn sie sich politisch positionieren, dann intern, mit Diversitäts- oder Inklusionsprogrammen. In die Außenkommunikation kommt Politik eigentlich selten. Und das hat auch einen guten Grund. Es muss nämlich exakt zur Marke passen. Nur: Die allermeisten Marken haben nicht das Geringste mit Diversität zu tun. Eigentlich sollte der Gedanke sein: Wir fördern intern die Vielfalt – und kommunizieren das auch nach außen. In der Realität schaut man eher: Was bringt uns Sympathiewerte, was sind die Risikowerte?
Sollten Unternehmen dann in Ihren Augen überhaupt politische Kommunikation betreiben?
Wenn es niemandem schadet und gut gemacht ist, warum nicht? Aber es ist zumindest nicht ihre primäre Aufgabe, Diversität in der Gesellschaft zu zelebrieren.
Und im Fall von Milram?
Das hätte man sich wirklich sparen können. Wenn sich am Ende niemand hinstellt und sagt: Das haben wir aus gutem Grund gemacht, weil uns Vielfalt am Herzen liegt, dann kommt es einfach nicht an.
Welchen Unternehmen gelingt es denn besser?
Es gibt wirklich wenige Unternehmen, die authentisch – wenn man das bei Unternehmen überhaupt sagen kann – politisch kommunizieren. Und dann steht in der Regel ein Unternehmer dahinter. Dirk Rossmann ist ein gutes Beispiel. Dem liegt die Umwelt am Herzen. Und das kommunizieren er und sein Unternehmen immer wieder. In den USA können wir derzeit beobachten, dass die meisten Unternehmen sich an das politische Umfeld anpassen.
Weil sie reihenweise ihre Programme zur Förderung von Vielfalt und Gleichberechtigung gestrichen haben, seitdem Donald Trump mit dem Entzug staatlicher Aufträge droht.
Genau. Und darunter leidet die Glaubwürdigkeit von politischen Kampagnen.
Ist jede Art von Aufmerksamkeit gut für die Marke, auch wenn sie in einem Shitstorm endet?
Nein, die Kommunikation muss zur Marke passen. Wenn Sie eine brave Marke sind, die Scheibenkäse herstellt, dann passt das nicht. Wenn Sie True Foods sind und sexistische Kalauer auf Ihre Flaschen drucken, passt es. Wenn Sie eine Rock’n’Roll-Marke sind, dann passt alles, was Rock’n’Roll verspricht. Red Bull? Perfekt. Die machen alles, was mit Adrenalin zu tun hat. Ab und an geht ein Fallschirm nicht auf oder Menschen verletzen sich. Aber es passt zum Produkt – deshalb funktioniert es. Wenn es nicht zur Marke passt, weil Sie brave Produkte haben, dann sollten Sie Skandale unbedingt vermeiden. Dass jede Aufmerksamkeit gut ist, stimmt schon lange nicht mehr.
Bei der Kleidungsmarke Benetton hat es funktioniert. Schon in den 1990er-Jahren haben die Marketingkampagnen für viel Diskussion gesorgt, auch viel negative.
Benetton hat sich bewusst dazu entschieden, unter all den langweiligen Kleidungsmarken richtig Aufmerksamkeit zu erzeugen. Obwohl die eigentlich ganz brave Sachen gemacht haben. Sie produzierten damals unifarbene Pullover. Aber die haben bewusst auf provokante Kampagnen gesetzt, quasi als Markenschliff. Das hat funktioniert. Was nicht funktioniert: braves Produkt, brave Kommunikation – und dann eine einmalige Aktion.
Sollte Milram jetzt also mit ähnlichen Kampagnen weitermachen?
Der Fehler bei Milram ist nicht, dass es vermutlich bei der einen Kampagne bleiben wird. Sondern dass Sie den politischen Teil gar nicht mitgedacht zu haben scheinen. Und das in ihrem Statement auch offen zugegeben haben. Die Aktion hätte eine gute Chance sein können, die aber nicht genutzt wurde. Schade.
Stefan Mannes gründete vor mehr als 20 Jahren die Kommunikationsagentur Kakoii mit Standorten in Berlin und Tokio. Mannes betreut sowohl Unternehmen als auch politische Akteure. In den vergangenen Jahren hat er immer wieder erlebt, wie unterschiedliche Unternehmen mit Skandalen umgehen.