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Haltet die Dissonanz der Welt aus

Haltet die Dissonanz der Welt aus

An einem dieser grauen Dezembertage,

die in ihrer Monotonie schon fast wieder Trost spenden, sitzen wir in einem Café und beobachte einen Mann, der seit einer Stunde regungslos aus dem Fenster starrt. Vor ihm eine erkaltete Tasse Kaffee, neben ihm sein Smartphone, das er beharrlich ignoriert. Es ist diese Art des Innehaltens, die wir fast verlernt haben – nicht das hastige Pausieren zwischen zwei Terminen, sondern jenes tiefe Verweilen, das wie ein Fenster ist, durch das wir weiter sehen können als nur bis zum nächsten Tag.

Das Jahr, das hinter uns liegt, war keines, das um Erlaubnis bat. Es kam mit all seiner Wucht, mit Krieg und Krisen, mit Terror, mit einer politischen Landschaft, die in Deutschland an ihren eigenen Ansprüchen scheiterte.

In Momenten wie diesen kommt es darauf an, die leisen Bewegungen nicht zu übersehen. Inmitten von Verlust und Zerrüttung zeigt sich oft eine ungeahnte Kraft, etwas, das nicht mit der großen Geste daherkommt, sondern in der Beharrlichkeit der kleinen Dinge liegt. Ein Kind, das in der Ukraine inmitten von Trümmern einen Drachen steigen lässt. Ein Freund, der sein Unternehmen aus der drohenden Insolvenz führt. Ein Gespräch, das sich gerade dadurch auszeichnet, dass es nicht auf eine Lösung zielt, sondern auf das Verstehen.

„Mitten im Winter erfuhr ich endlich, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer liegt“, schrieb Albert Camus. Es ist bezeichnend, dass gerade dieser Satz in den sozialen Medien so gerne geteilt wird – allerdings meist ohne seinen eigentlichen Kontext: Camus sprach nicht von naivem Optimismus, sondern von jener inneren Widerstandskraft, die gerade dann hervortritt, wenn wir zum Weitermachen gezwungen sind, auch ohne den Weg schon zu kennen.

Was bleibt, ist eine Aufgabe: die Bereitschaft, die Dissonanzen der Welt auszuhalten, ja, sie zu hören, um in ihnen jene leisen Töne zu entdecken, die uns verbinden. Es ist kein Ruf nach Harmonie, sondern nach der Offenheit, das Fremde anzunehmen, ohne sich selbst zu verlieren.

Das neue Jahr zwingt uns nicht zur Hoffnung, aber es lädt uns ein, den Blick zu heben. Während wir uns durch die Unordnung navigieren, erkennen wir vielleicht: Am Ende dieses Jahres, so unvermeidlich wie still, folgt ein neues. Nicht als Erlösung, sondern als Einladung.

Wir plädieren dafür ihr zu folgen – mit der Gewissheit, dass jeder Jahreswechsel mehr ist als ein Datum. Ein Versprechen, das wir uns selbst geben.

Alles Gute für 2025.

Stefan Mannes, Thekla Heineke
und das ganze kakoii Team

 

PS: Lesenswert: Albert Camus, „L’Été“ (1952). Essayband, aus dem das Zitat stammt.

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