Awardfrei seit Gründung – ein Plädoyer fürs Arbeiten statt Pokaleputzen

Es klang wie der Plot einer billigen Streamingminiserie: Bei den diesjährigen Oscars der Kreativbranche, den Cannes Lions flog gleich ein ganzer Schwarm gefälschter Cases auf. Agenturen mussten Trophäen zurückgeben, weil Videos KI-Material enthielten, Zahlen frei erfunden waren oder ganze Kunden nur auf dem Papier existierten. Der Veranstalter kündigte strengere Regeln und ein Ethics Board an, doch wer in dieser Branche glaubt noch an die Jungfräulichkeit von Awardeinreichungen?
Wir leiten die Agentur kakoii, und wir reichen seit Jahren grundsätzlich nichts ein. Nicht aus Askese, oder weil wir nichts zu sagen haben, sondern weil der Zusammenhang zwischen Metallpokalen und echtem Markterfolg nie zu erkennen war. Eine gelungene Kampagne freut uns, unser Team und den Marketingleiter des Kunden – das war’s. Job done. Wir lösen Kommunikationsprobleme.
Um den Irrsinn einmal greifbar zu machen, starteten wir ein Experiment: Jede und jeder in der Agentur durfte sich einen Fantasie-Award ausdenken, komplett mit Name, Logo und Laudatio. Wir ließen die Trophäen fachgerecht herstellen und füllten ein ganzes Regal damit. Seitdem marschieren Kundinnen und Bewerber daran vorbei, nicken ehrfürchtig, fragen aber nie nach dem Regelwerk des „Golden Flamingo of Narrative Storytelling“ oder dem „World Advertising Award“ oder der Typographie-Auszeichnung, die einfach nach der Großmutter unserer Praktikantin benannt war. Der Schein genügt.
Die meisten echten Awards funktionieren ähnlich. Erst gibt eine „geile“ Kampagnenidee, dann sucht man das Projekt, das zum Film passt. Oder man kurbelt drei Tage eine digitale Pro-Bono-Aktion gegen Dengue Fieber an, die exakt 250 Views erreicht, aber im Jurysaal als globaler Health Impact verkauft wird. Früher sind unsere Kollegen aus der Werbeagentur mit ausgedruckten Ideen in den Karstadt gefahren, haben den Ausdruck an die Wand gehängt, ein Foto gemacht: und fertig war die „Veröffentlichung“. Heute machen sie das mit KI. Wenn alles ein Showrun ist, warum so tun, als ginge es um Wahrheit? Wir wissen doch, das es den Agenturen lediglich um das Ranking geht, nicht um die Echtheit.
Auch wir haben gerade ein klein wenig die Unwahrheit gesagt: denn wir haben tatsächlich mal den ADAC-Kommunikationspreis gewonnen, ganz klassisch. Die Arbeit war gut, sogar weltweit bekannt. Entscheidend war jedoch die klassische Lobbyarbeit im Hinterzimmer. Aber es gibt ein Werk, auf das wir aufrichtig stolz sind: Unsere Kampagne für das Berliner Holocaust Denkmal wurde vom Deutschen Historischen Museum als zeitgeschichtliches Dokument ins Archiv aufgenommen. Sie taucht gelegentlich in Ausstellungen auf – das fühlt sich nach echtem, langfristigem Wert an.